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pp. 159-195
Bisher haben wir den Psychologismus vorzugsweise aus seinen Konsequenzen bekämpft. Wir wenden uns nun gegen seine Argu
mente selbst, indem wir die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, auf die er sich stützt, als täuschende Vorurteile nachzuweisen suchen.
Ein erstes Vorurteil lautet: "Vorschriften zur Regelung von 1o Psychischem sind selbstverständlich psychologisch fundiert. Demgemäß ist es auch einleuchtend, daß die normativen Gesetze der Erkenntnis in der Psychologie der Erkenntnis gründen müssen."
Zunächst tut es not, einer schiefen Auffassung beider Parteien ein Ende zu machen. Wir weisen nämlich darauf hin, daß die logischen Gesetze, an und für sich betrachtet, keineswegs normative Sätze sind in dem Sinne von Vorschriften, d.i. Sätzen, zu deren Inhalt es gehört, auszusagen, wie geurteilt werden solle. Man
muß durchaus unterscheiden: Gesetze, welche zur Normierung der Erkenntnistätigkeiten dienen, und Regeln, welche den Gedanken dieser Normierung selbst enthalten und sie als allgemein verpflichtend aussagen.
Betrachten wir ein Beispiel, etwa das bekannte Prinzip der
Syllogistik, welches von alters her in die Worte gefaßt wird: Das Merkmal des Merkmals ist auch Merkmal der Sache selbst. Die Kürze dieser Fassung wäre empfehlenswert, wenn sie nicht einen sichtlich falschen Satz als Ausdruck des intendierten Gedankens
stimmter Gegenstand S das Merkmal A, so hat er auch das Merkmal B." Daß nun dieser Satz den geringsten normativen Gedanken enthalte, müssen wir entschieden bestreiten. Wir können ihn freilich zur Normierung verwenden, aber darum ist er nicht selbst eine Norm. Wir können auf ihn auch eine ausdrückliche
┌Vorschrift┐
Und dasselbe gilt offenbar von allen syllogistischen Gesetzen, wie von ┌allen┐
bzw. 21). — Auch in einigen anderen, nicht minder wesentlichen Punkten berühren sich meine Prolegomena mit diesem Werke des scharfsinnigen Forschers, welches mir für die Bildung und Darstellung meiner Gedanken leider nicht mehr hilfreich sein konnte. Dagegen konnten auf mich zwei ältere Schriften Natorps, der oben zitierte Aufsatz aus den Phil. Monatsh., XXIII, und die Einleitung in die Psychologie anregend wirken — wie sehr sie mich auch in anderen Punkten zu Widerspruch reizten.
zu trennen pflegt.
besagt z.B., daß das Produkt aus der Summe und Differenz zweier beliebiger Zahlen gleich ist der Differenz ihrer Quadrate. Hier ist keine Rede von unserem Urteilen und der Art, wie es
verlaufen soll, wir haben ein theoretisches Gesetz und nicht eine praktische Regel vor uns. Betrachten wir hingegen den korrespondierenden Satz: "Um das Produkt aus Summe und Differenz zweier Zahlen zu bestimmen, bilde man die Differenz
nicht ein theoretisches Gesetz ausgesprochen. Auch hier wandelt sich allererst durch die Einführung des normativen Gedankens das Gesetz in die Regel, die seine selbstverständliche apodiktische Folge, jedoch nach dem Gedankengehalt von ihm verschieden ist.
Wir können noch weiter gehen. Es ist ja klar, daß in gleicher
Weise jede allgemeine Wahrheit, welchem theoretischen Gebiete sie angehören mag, zur Begründung einer allgemeinen Norm richtigen Urteilens dienen kann. Die logischen Gesetze zeichnen sich in dieser Hinsicht in keiner Weise aus. Ihrer eigenen Natur nach sind sie nicht normative, sondern theoretische Wahrheiten
und können als solche, so gut wie Wahrheiten irgendwelcher anderer Disziplinen, zur Normierung des Urteilens dienen.
Andererseits ist freilich auch dies unverkennbar: Die allgemeine Überzeugung, welche in den logischen Sätzen Normen des Denkens sieht, kann nicht ganz haltlos, die Selbstverständlich
keit, mit der sie uns sofort einleuchtet, nicht reiner Trug sein. Ein gewisser innerer Vorzug in Sachen der Denkregelung muß diese Sätze vor anderen auszeichnen. Aber muß die Idee der Regelung (des Sollens) darum im Inhalt der logischen Sätze selbst liegen? Kann sie nicht in diesem Inhalt mit einsichtiger Notwendigkeit
gründen? Mit anderen Worten: Können nicht die logischen und rein mathematischen Gesetze einen ausgezeichneten Bedeutungsgehalt haben, der ihnen einen natürlichen Beruf zur Denkregelung verleiht?
Wir sehen aus dieser einfachen Betrachtung, wie in der Tat auf
beiden Seiten hier Unrecht verteilt ist.
Die Antipsychologisten irrten darin, daß sie Regelung der Erkenntnis sozusagen als die Essenz der logischen Gesetze hinstellten. Darum kam der rein theoretische Charakter der formalen
natürlichen Beruf zur Normierung der Erkenntnis, um des-sentwillen sie notwendig den Kern jeder praktischen Logik bilden müssen. Aber man übersah den Unterschied zwischen dem eigenen Gehalt der Sätze und ihrer Funktion, ihrer praktischen Verwendung. Man übersah, daß die sog. logischen Grundsätze in sich
selbst nicht Normen sind, sondern eben nur als Normen dienen. Mit Rücksicht auf die Normierung hatte man sich daran gewöhnt, von Denkgesetzen zu sprechen, und so schien es, als ob auch diese Gesetze einen psychologischen Gehalt ┌hätten┐
Gesetzen nur darin ┌läge┐
Auf der anderen Seite irrten die Psychologisten mit ihrem vermeintlichen Axiom, dessen Ungültigkeit wir nun mit wenigen Worten aufweisen können: Zeigt es sich als eine pure Selbstver
ständlichkeit, daß jede allgemeine Wahrheit, ob sie nun psychologischer Art ist oder nicht, eine Regel des richtigen Urteilens begründet, so ist hiermit nicht nur die sinnvolle Möglichkeit, sondern sogar die Existenz von Urteilsregeln, die nicht in der Psychologie gründen, gesichert.
Nun sind freilich nicht alle derartigen Urteilsregeln, obgleich sie die Richtigkeit des Urteilens normieren, darum schon logische Regeln; aber es ist einzusehen, daß von den im eigentlichen Sinne logischen Regeln, welche die ureigene Domäne einer Kunstlehre des wissenschaftlichen Denkens ausmachen, nur die eine
Gruppe psychologische Begründung zuläßt und dann auch fordert: nämlich die der menschlichen Natur speziell angepaßten technischen Vorschriften zur Erzeugung wissenschaftlicher Erkenntnis und zur Kritik solcher Erkenntniserzeugungen. Die andere Gruppe hingegen, und die ungleich wichtigere, besteht
Seite (als methodologische Einheit der spezifisch-menschlichen Erkenntnisgewinnung) als von ihrer objektiven Seite (als Idee der theoretischen Einheit der Wahrheit) betrachten und demnach die methodologischen Aufgaben der Logik einseitig betonen, übersehen sie den fundamentalen Unterschied zwischen den
rein logischen Normen und den technischen Regeln einer spezifisch humanen Denkkunst. Beide aber sind nach Inhalt, Ursprung und Funktion von total verschiedenem Charakter. Beziehen sich die rein logischen Sätze, wenn wir auf ihren originären Inhalt sehen, nur auf Ideales, so jene methodo
logischen Sätze auf Reales. Haben die ersteren ihren Ursprung in unmittelbar einsichtigen Axiomen, so die letzteren in empirischen und hauptsächlich psychologischen Tatsachen. Dient die Aufstellung jener rein theoretischen und nur nebenbei praktischen Interessen, so verhält es sich bei diesen umgekehrt: ihr unmittel
bares Interesse ist ein praktisches und nur mittelbar, sofern nämlich ihr Ziel die methodische Förderung wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt ist, werden auch theoretische Interessen durch sie gefördert.
Jeder beliebige theoretische Satz läßt sich, wie wir oben sahen, normativ wenden. Aber die so erwachsenden Regeln für richtiges Urteilen sind im allgemeinen nicht diejenigen, welche eine logische Kunstlehre braucht, nur wenige unter ihnen sind zur logischen Normierung sozusagen prädestiniert. Will diese Kunstlehre
unseren wissenschaftlichen Bestrebungen tatkräftige Hilfe bieten, so kann sie ja nicht die Erkenntnisfülle der fertigen Wissenschaften voraussetzen, die wir durch ihre Hilfe allererst zu gewinnen hoffen. Nicht die ziellose Umwendung aller gegebenen theoretischen Erkenntnisse ins Normative kann uns nützen,
sondern was wir brauchen, sind allgemeine und in ihrer Allgemeinheit über alle bestimmten Wissenschaften hinaus greifende Normen zur wertenden Kritik theoretischer Erkennt
Eben das will die logische Kunstlehre leisten, und will sie es als wissenschaftliche Disziplin, so muß sie selbst gewisse theoretische
Erkenntnisse voraussetzen. Da ist nun von vornherein klar, daß für sie von ausnehmendem Werte alle die Erkenntnisse sein müssen, welche rein in den Begriffen Wahrheit, Satz, Subjekt, Prädikat, Gegenstand, Beschaffenheit, Grund und Folge, Beziehungspunkt und Beziehung und dergleichen gründen. Denn
alle Wissenschaft baut sich nach dem, was sielehrt (also objektiv, theoretisch), aus Wahrheiten auf, alle Wahrheit liegt in Sätzen, alle Sätzen enthalten Subjekte und Prädikate, beziehen sich durch sie auf Gegenstände oder Beschaffenheiten; Sätze als solche haben Verknüpfung nach Grund und Folge usw. Nun ist klar: Wahr
heiten, die in solchen wesentlichen Konstituentien aller Wissenschaft als objektiver, theoretischer Einheit gründen, Wahrheiten, die also nicht als aufgehoben gedacht werden können, ohne daß, was aller Wissenschaft als solcher objektiven Halt und Sinn gibt, aufgehoben wäre, bilden selbst
verständlich die fundamentalen Maßstäbe, an denen gemessen werden kann, ob gegebenenfalls, was den Anspruch erhebt, Wissenschaft zu sein bzw. als Grundsatz oder Folgesatz, als Syllogismus oder Induktion, als Beweis oder Theorie usw. zur Wissenschaft zu gehören, solcher Intention wirklich entspricht,
oder ob es nicht vielmehr a priori den idealen Bedingungen der Möglichkeit von Theorie und Wissenschaft überhaupt widerstreitet. Gesteht man uns dann zu, daß Wahrheiten, die rein im Inhalt (Sinn) derjenigen Begriffe gründen, welche die Idee der Wissenschaft als einer objektiven Einheit konstituieren, nicht
nebenher zum Bereich irgendeiner Einzelwissenschaft gehören können; gesteht man im besonderen zu, daß solche Wahrheiten als ideale ihren Heimatsort nicht haben können in den Wissenschaften vom matter of fact, also auch nicht in der Psychologie — dann ist unsere Sache entschieden. Dann kann man auch nicht
die ideale Existenz einer
aus denen sie selbst als systematische Einheit von Wahrheiten besteht, durch die Gesetze beherrscht werden, die mit zu ihrem theoretischen Gehalt gehören.
Daß die Wissenschaft, welche sich auf alle Wissenschaften hinsichtlich deren Form bezieht, sich eo ipso auf sich selbst bezieht, klingt
paradox, aber es birgt keinerlei Unzuträglichkeit. Das allereinfachste hierhergehörige Beispiel mache dies klar. Der Satz vom Widerspruch regelt alle Wahrheit und, da er selbst Wahrheit ist, auch sich selbst.Man überlege, was diese Regelung hier bedeutet, man formuliere den auf sich selbst angewendeten Satz vom Widerspruch, und man stößt
auf eine einsichtige Selbstverständlichkeit, somit auf das gerade Gegenteil von Verwunderlichkeit und Fraglichkeit. So verhält es sich ┌über-haupt┐
Diese reine Logik ist also das erste und wesentlichste Funda
ment der methodologischen Logik. Aber natürlich hat diese noch ganz andere Fundamente, die ihr die Psychologie beistellt. Denn jede Wissenschaft läßt sich, wie wir schon ausgeführt haben, in doppelter Hinsicht betrachten: In der einen ist sie ein Inbegriff menschlicher Veranstaltungen zur Erlangung, systematischen
Abgrenzung und Darlegung der Erkenntnisse dieses oder jenes Wahrheitsgebietes. Diese Veranstaltungen nennen wir Methoden; z.B. das Rechnen mit Abakus und Kolumnen, mit Schriftzeichen auf ebener Tafelfläche, mittels der oder jener Rechenmaschine, mittels Logarithmen-, Sinus- oder Tangententafeln usw.;
astro
nationaler Eigenart. Sie ┌wären┐
unterschiedenes Endorgan gebunden wäre? Und so überall.
Jede Wissenschaft läßt sich aber noch in anderer Hinsicht betrachten, nämlich nach dem, was sie lehrt, nach ihrem theoretischen Gehalt. Was — im idealen Falle — jeder einzelne Satz aussagt, ist eine Wahrheit. Keine Wahrheit ist aber in der Wissen
schaft isoliert, sie tritt mit anderen Wahrheiten zu theoretischen Verbänden zusammen, geeinigt durch Verhältnisse von Grund und Folge. Dieser objektive Gehalt der Wissenschaft ist, soweit sie ihrer Intention wirklich genügt, von der Subjektivität der Forschenden, von den Eigenheiten der menschlichen Natur über
haupt völlig unabhängig, er ist eben objektive Wahrheit.
Auf diese ideale Seite geht nun die reine Logik, nämlich der Form nach; das heißt, sie geht nicht auf das, was zur besonderen Materie der bestimmten Einzelwissenschaften, zu den jeweiligen Eigenheiten ihrer Wahrheiten und Verknüpfungsformen gehört,
sondern auf das, was sich auf Wahrheiten und theoretische Verbände von Wahrheiten überhaupt bezieht. Daher muß ihren Gesetzen, die durchaus idealen Charakters sind, eine jede Wissenschaft in Ansehung ihrer objektiven theoretischen Seite angemessen sein.
Hierdurch gewinnen diese idealen Gesetze aber gleichfalls methodologische Bedeutung, und sie besitzen sie auch darum, weil mittelbare Evidenz in den Begründungszusammenhängen
gorien gründen. Die charakteristischen Eigentümlichkeiten der Begründungen, welche im ersten Kapitel d. ┌W.┐
der Einheit der noch so umfassenden rationalen Theorie, aber auch in der Einheit der Wahrscheinlichkeitsbegründung — nichts
der so zu gewinnenden und zunächst bloß vereinzelten Gesetze auf die primitiven Grundgesetze zurück und schafft so ein wissenschaftliches System, welches in geordneter Folge und rein deduktiv alle überhaupt möglichen rein logischen Gesetze — alle möglichen "Formen" von Schlüssen, Beweisen usw. — abzuleiten
gestattet. Dieser Leistung bemächtigt sich nun das praktischlogische Interesse. Die rein logischen Formen wandeln sich ihm in Normen um, in Regeln, wie wir begründen sollen, und — mit Beziehung auf mögliche ungesetzliche Bildungen — in Regeln, wie wir nicht begründen dürfen.
Demnach zerfallen die Normen in zwei Klassen: Die einen, alles Begründen, allen apodiktischen Zusammenhang a priori regelnd, sind rein idealer Natur und nur durch evidente Übertragung auf menschliche Wissenschaft bezogen. Die anderen, die wir auch als bloße Hilfsverrichtungen oder Surrogate für Be
gründungen charakterisieren durften,
sogar in der physischen Konstitution.
In dem Streit um psychologische oder objektive Begründung der Logik nehme ich also eine Mittelstellung ein. Die Antipsycho
logisten blickten vorzugsweise auf die idealen Gesetze hin, die wir
der gegnerischen Argumente gerecht zu werden, ist um so begreiflicher, als in diesen letzteren all die psychologischen Motive und Vermengungen selbst mitspielten, die doch vor allem vermieden werden mußten. Auch der tatsächliche Inhalt der Werke, die sich als Darstellungen der "formalen" oder "reinen" Logik ausgeben,
mußte die Psychologisten in ihrer ablehnenden Haltung nur bestärken und den Eindruck in ihnen erwecken, es handle sich in der proponierten Disziplin doch nur um ein Stück verschämter und dabei eigensinnig beschränkter Erkenntnispsychologie bzw. um eine darauf gegründete Erkenntnisregelung. Die Antipsycholo
gisten durften in ihrem Argument
sie sich mit ihrer Argumentation auf ein unzweifelhaft Richtiges. Aber sie übersahen den theoretischen Charakter der rein logischen Sätze, sie verkannten den Unterschied von theoretischen Gesetzen, die durch ihren Inhalt zur Regelung der Erkenntnis prädestiniert sind, und normativen Gesetzen, die selbst und wesentlich
den Charakter von Vorschriften haben.
Auch das ist nicht ganz richtig, daß der Gegensatz von Wahr und Falsch in der Psychologie keine Stelle habe:
Andererseits sind freilich die Sätze, welche sich auf diese Be
noch ausführlich zu erörtern sein.
Endlich liegt auch dem letzten Argument der Antipsychologisten
so liegt in einer psychologischen Begründung der Logik sicherlich kein Zirkel. Aber ein anderes ist die psychologische Begründung der Logik (im gewöhnlichen Sinne der Kunstlehre) und wieder ein anderes die psychologische Begründung jener theoretisch geschlossenen Gruppe logischer Sätze, die wir "rein logische" nann
ten. Und in dieser Hinsicht ist es allerdings eine krasse Unzuträglichkeit, obschon nur in gewissen Fällen eine Art Zirkel, Sätze, welche in den
Inhalt irgendeiner Einzelwissenschaft und nun gar einer Tatsachenwissenschaft abzuleiten. Man mache sich den Gedanken an dem Satze vom Widerspruch klar, man denke ihn durch irgendeine Einzelwissenschaft begründet; also eine Wahrheit, die im Sinne der Wahrheit als solcher liegt, begründet durch Wahrheiten
über Anzahlen, Strecken u. dgl., oder gar durch Wahrheiten über physische oder psychische Tatsächlichkeiten. Jedenfalls schwebte diese Unzuträglichkeit den Vertretern der formalen Logik gleichfalls vor, nur daß sie, wieder durch ihre Vermengung der rein logischen Gesetze mit normativen Gesetzen oder Kriterien, den
guten Gedanken in einer Weise trübten, die ihn seiner Wirksamkeit berauben mußte.
Die Unzuträglichkeit besteht, wenn wir auf den Grund gehen, darin, daß Sätze, welche sich auf die bloße Form beziehen (das ist auf die begrifflichen Elemente wissenschaftlicher Theorie als sol
cher), erschlossen werden sollen aus Sätzen eines ganz heterogenen Gehalts.
von Ableitungsprinzipien, ohne deren Gültigkeit die Ableitung Sinn und Gültigkeit verlieren würde. In dieser Hinsicht könnte man von einem reflektiven Zirkel sprechen, im Gegensatz zum gewöhnlichen oder direkten circulus in demonstrando, wo Prämissen und Schlußsätze ineinanderlaufen.
Diesen Einwänden entgeht von allen Wissenschaften allein die reine Logik, weil ihre Prämissen nach dem, worauf sie sich gegenständlich beziehen, ┌homogen sind den Schlußsätzen, die
in dieser selbst eben nicht beweist, und daß sie Sätze, welche jede Deduktion voraussetzt, überhaupt nicht beweist, sondern an die Spitze aller Deduktionen als Axiome hinstellt. Die überaus schwierige Aufgabe der reinen Logik wird also darin bestehen, einerseits analytisch zu den Axiomen aufzusteigen, die als Aus
gangspunkte unentbehrlich und aufeinander ohne direkten und reflektiven Zirkel nicht mehr reduktibel sind; des weiteren die Deduktionen für die logischen Lehrsätze (wovon die syllogisti-schen Sätze einen kleinen Teil ausmachen) so zu formen und anzuordnen, daß Schritt für Schritt nicht bloß die Prämissen
sondern auch die Prinzipien der Deduktionsschritte entweder zu den Axiomen oder zu den bereits erwiesenen Lehrsätzen gehören.
Zur Bestätigung seines ersten Vorurteils, wonach es selbstver
ständlich sein soll, daß sich Regeln der Erkenntnis auf die Psychologie der Erkenntnis stützen müssen, beruft sich der Psychologist
psychische Phänomene und Gebilde? Bei Vorstellungen und Urteilen ist dies ohne weiteres klar. Schlüsse sind Begründungen von Urteilen mittels Urteile, und Begründen ist doch eine psychische Tätigkeit. Wieder beziehen sich die Reden von Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, Notwendigkeit und Möglichkeit usw. auf
Urteile; was sie meinen, kann
methodologischen Sätzen nutzlos, der Einwand trifft die einen so gut wie die anderen. Es müßte also jeder Versuch, auch nur einen Teil der Logik als vermeintlich "reine" Logik der Psychologie zu entfremden, als grundverkehrt gelten.
Wie selbstverständlich dies alles auch erscheinen mag, es muß irrig sein. Dies lehren die wiedersinnigen Konsequenzen, die, wie wir wissen, für den Psychologismus unausweichlich sind. Aber auch noch anderes müßte hier bedenklich stimmen: die natürliche
Verwandtschaft zwischen rein logischen und arithmetischen Doktrinen, welche öfters sogar zur Behauptung ihrer theoretischen Einheit geführt hat. Wie wir gelegentlich schon erwähnten, hat auch Lotze gelehrt, daß die Mathematik als "ein sich für sich selbst fortentwickelnder Zweig der allgemeinen Logik" gelten
müsse. "Nur eine praktisch begründete Spaltung des Unterrichts" läßt, meint er, "die vollkommene Heimatsberechtigung der Mathematik in dem allgemeinen Reich der Logik übersehen".
und Verknüpfungen. Aber Zahlen erwachsen aus dem Kolligieren und Zählen, welches
sinnlichen Stützen bedürfen, tut nichts zur Sache, dasselbe gilt ja für alles und jedes Denken. Somit sind auch die Summen, Produkte, Differenzen und Quotienten, und was immer in den arithmetischen Sätzen als das Geregelte erscheint, nichts als psychische Produkte, sie unterliegen also der psychischen Gesetzmäßigkeit.
Nun mag zwar der modernen Psychologie mit ihrem ernsten Streben nach Exaktheit jede Erweiterung um mathematische Theorien höchst erwünscht sein; aber schwerlich wäre sie sehr erbaut, wenn man ihr die Mathematik selbst als Teil einordnen wollte. Die Heterogenität beider Wissenschaften ist eben unver
kennbar. So würde auch auf der anderen Seite der Mathematiker nur lächeln, wollte man ihm psychologische Studien aufdrängen, in Absicht auf ┌die┐
Welten, daß schon der Gedanke ihrer Vermittlung absurd wäre; wenn irgendwo, so fände hier die Rede von einer μετάβασις εἰς ἄλλο γένος ihre Anwendung.
Mit diesen Einwänden sind wir allerdings wieder in Argumentationen aus den Konsequenzen geraten. Aber wenn wir
ihren Inhalt blicken, finden wir die Handhaben, um die Grundfehler der gegnerischen Auffassung bezeichnen zu können. Der Vergleich der reinen Logik mit der reinen Mathematik, als der reif entwickelten Schwesterdisziplin, die sich das Recht selbständiger Existenz nicht erst erkämpfen muß, dient uns als
zuverlässiges Leitmotiv. Auf die Mathematik wollen wir also zunächst hinblicken.
Niemand faßt die rein mathematischen Theorien und speziell z.B. die reine Anzahlenlehre als "Teile oder Zweige der Psychologie", obgleich wir ohne Zählen keine Zahlen, ohne
Summieren keine Summen, ohne Multiplizieren keine Produkte hätten usw. Alle arithmetischen Operationsgebilde weisen auf gewisse psychische Akte arithmetischen Operierens zurück, nur in Reflexion auf sie kann, was Anzahl, Summe, Produkt u. dgl. ist, "aufgewiesen" werden. Und trotz dieses "psychologischen
Ursprungs" der arithmetischen Begriffe erkennt es jeder als eine fehlerhafte μετάβασις an, daß die mathematischen Gesetze psychologische sein sollen. Wie ist das zu erklären? Hier gibt es nur ┌eine┐
Akten, hat es natürlich die Psychologie zu tun. Sie ist ja die empirische Wissenschaft von den psychischen Tatsachen überhaupt. Ganz anders die Arithmetik. Ihr Forschungsgebiet ist bekannt, es ist vollständig und unüberschreitbar bestimmt durch die uns wohlvertraute Reihe idealer Spezies 1, 2, 3 ... Von individuellen
Tatsachen, von zeitlicher Bestimmtheit ist in dieser Sphäre gar keine Rede. Zahlen, Summen und Produkte von Zahlen (und was dergleichen mehr) sind nicht die zufällig hier und dort vor sich gehenden Akte des Zählens, des Summierens und Multiplizierens usw. Selbstverständlich sind sie auch verschieden von den Vor
Stellungen, in denen sie jeweils vorgestellt werden. Die Zahl Fünf ist nicht meine oder irgend jemandes anderen Zählung der
ihnen Objektiven, des konstituierten Kollektivum┐
adäquate Vorstellung von der Fünf, so werden wir zunächst einen gegliederten Akt kollektiver Vorstellung von irgendwelchen fünf Objekten bilden. In ihm ist ┌das Kollektivum in einer gewissen Gliederungsform und damit┐
schaulich Einzelne vollführen wir nun eine "Abstraktion", d.h. wir heben nicht nur
Einzelfall,┐
Auf derartige ideale Einzelheiten (niederste Spezies in einem ausgezeichneten Sinne, der von empirischen Klassen scharf unterschieden ist) gehen nun die arithmetischen Sätze, die numerischen (d.i. die arithmetisch-singulären) wie die algebraischen (d.i. die arithmetisch-generellen) Sätze. Über Reales sagen sie schlechter
dings nichts aus, weder über solches, das gezählt wird, noch über die realen Akte, in denen gezählt
hören; Sätze über die arithmetischen Denkvorgänge hingegen in die Psychologie. Streng und eigentlich sagen die arithmetischen Sätze daher auch nichts darüber, "was in unseren bloßen Vorstellungen von Zahlen liegt"; denn so wenig wie von sonstigen Vorstellungen sprechen sie von den unserigen. Sie handeln vielmehr
von Zahlen und ┌Zahlenverknüpfungen┐
Umfang dieser Gesetze fallen, sind ideale, es sind die numerisch bestimmten Zahlen, d.i. die niedersten spezifischen Differenzen des Genus Anzahl. Auf sie beziehen sich daher die arithmetischsingulären Sätze, die der arithmetica numerosa. Sie erwachsen durch Anwendung jener allgemein arithmetischen Gesetze auf
numerisch gegebene Zahlen, sie drücken aus, was rein im idealen Wesen dieser gegebenen Zahlen beschlossen ist. Von allen diesen Sätzen ist keiner auf einen empirisch-allgemeinen Satz zu reduzieren,
Was wir hier in betreff der reinen Arithmetik ausgeführt haben, überträgt sich durchaus auf die reine Logik. Auch für sie geben
wir als selbstverständlich die Tatsache zu, daß die logischen Begriffe einen psychologischen Ursprung haben, ┌aber┐
ziehen wir es natürlich auch nicht in Zweifel, daß sie es in weitem Ausmaße mit psychischen Erlebnissen zu tun hat. Gewiß fordert die Methodologie des wissenschaft
Termini wie Vorstellung, Begriff, Urteil, Schluß, Beweis, Theorie, Notwendigkeit, Wahrheit u. dgl. auch als Klassennamen für psychische Erlebnisse und dispositioneile Gebilde auftreten können und auftreten müssen. Dagegen bestreiten wir, daß dergleichen jemals in den rein-logischen Partien der in Rede stehenden Kunst
lehre zutrifft. Wir leugnen, daß die als selbständige theoretische Disziplin abzulösende reine Logik es je auf psychische Tatsachen abgesehen hat und auf Gesetze, die als psychologische zu charakterisieren wären. Wir erkannten ja schon, daß die rein-logischen Gesetze, wie z.B. die primitiven "Denkgesetze" oder die syllo
gistischen Formeln, ihren wesentlichen Sinn völlig einbüßen, sowie man sie als psychologische zu interpretieren versucht. Es ist also von vornherein klar, daß die Begriffe, aus welchen sich diese und ähnliche Gesetze aufbauen, keinen empirischen Umfang haben können. Mit anderen Worten: sie
können nicht den Charakter bloß universeller Begriffe haben, deren Umfang tatsächliche Einzelheiten erfüllen, sondern sie müssen echt generelle Begriffe sein, deren Umfang sich ausschließlich zusammensetzt aus idealen Einzelheiten, aus echten Spezies. Des weiteren geht klar hervor,
daß die genannten Termini und alle überhaupt, die in rein-logischen Zusammenhängen auftreten, insgesamt äquivok sein
hören.
Dies bestätigt sich, wenn wir uns auch nur flüchtig in den historisch vorliegenden Bearbeitungen der Logik umblicken und
dabei unsere besondere Aufmerksamkeit auf den fundamentalen
Schein, als ob die unter dem traditionellen Titel "Elementarlehre" abgehandelten Materien innerlich homogen und insgesamt psychologische wären.
Da wird vor allem von den Vorstellungen gehandelt und in weitem Maße auch psychologisch gehandelt; die apperzeptiven
Vorgänge, in welchen Vorstellungen erwachsen, werden möglichst tief erforscht. So wie es aber an die Unterschiede der wesentlichen "Formen" der Vorstellungen geht, bereitet sich schon ein Bruch in der Betrachtungsweise vor, der sich fortsetzt in der Lehre von den Urteilsformen und am weitesten auseinanderklafft in der
Lehre von den Schlußformen, sowie den zugehörigen Denkgesetzen. Der Terminus Vorstellung verliert plötzlich den Charakter eines psychologischen Klassenbegriffs. Dies tritt in Evidenz, sowie wir nach dem Einzelnen fragen, das unter den Begriff Vorstellung fallen soll. Wenn der Logiker Unterschiede fixiert, wie die
zwischen singulären und allgemeinen Vorstellungen (Sokrates — der Mensch überhaupt; die Zahl Vier — die Zahl überhaupt), zwischen attributiven und nicht attributiven (Sokrates, Weiße — ein Mensch, eine Farbe) u. dgl.; oder wenn er die mannigfachen Verknüpfungsformen von Vorstellungen zu neuen Vorstellungen auf
zählt, wie konjunktive, disjunktive, determinative Verknüpfung u. dgl.; oder wenn er wesentliche Vorstellungsverhältnisse, wie Inhalts- und Umfangsverhältnisse klassifiziert: so muß doch
umschließt den Umfang jener. Ist darin von den subjektiven Erlebnissen irgendeiner Person und vom realen Enthaltensein von Phänomenen in Phänomenen die Rede? Gehören in den Umfang dessen, was hier und in allen ähn
Vorstellung, die ich jetzt, und die, welche ich in einer Stunde habe; oder nicht vielmehr als einziges Glied die Vorstellung "Dreieck" und daneben, wieder als Einzelheiten, die Vorstellung "Sokrates", die Vorstellung "Löwe" u. dgl.?
In aller Logik ist gar viel die Rede von Urteilen; aber auch
hier besteht Äquivokation. In den psychologischen Partien der logischen Kunstlehre spricht man von Urteilen als Führwahrhaltungen, man spricht also von bestimmt gearteten Bewußtseinserlebnissen. In den rein logischen Partien ist davon weiter keine Rede. Urteil heißt hier soviel wie Satz, und zwar verstan
den nicht als eine grammatische, sondern als eine ideale Bedeutungseinheit. Dies trifft all die Unterscheidungen von Urteilsakten bzw. Formen, welche für die rein-logischen Gesetze die nötigen Unterlagen bieten. Kategorisches, hypothetisches, disjunktives, existenziales Urteil, und wie die Titel noch lauten
mögen, sind in der reinen Logik nicht Titel für Urteilsklassen, sondern Titel ┌für ideale┐
Phänomene, sondern Formen intentionaler Einheiten werden analysiert, nicht Erlebnisse des Schließens, sondern Schlüsse. Wer in logisch-analytischer Absicht sagt: das kategorische Urteil "Gott ist gerecht" hat die Subjektvorstellung "Gott", spricht sicherlich nicht von dem Urteil als psychischem Erlebnis, das er
oder ein anderes Individuum hat, und desgleichen nicht von dem psychischen Akt, der darin eingeschlossen und durch das Wort
einzelnen Teile ┌eines┐
und sonst wann und in sonst welchen Personen Erlebnis war. Im Gegenteil, es figuriert kein einziger unter diesen Akten im fraglichen Umfang, wohl aber schlechthin "2x2 = 4" und daneben etwa "die Erde ist ein Kubus", der Lehrsatz des Pythagoras u. dgl., und zwar je als ein Glied. Genau ebenso verhält es
sich natürlich, wenn man sagt: "das Urteil S folgt aus dem Urteil P"; und so in allen ähnlichen Fällen.
Dadurch bestimmt sich auch erst der wahre Sinn der logischen Grundsätze, und zwar als ein solcher, wie ihn unsere früheren Analysen gekennzeichnet haben. Das Prinzip vom Widerspruch
ist, so lehrt man, ein Urteil über Urteile. Wofern man aber unter Urteilen psychische Erlebnisse, Akte des Fürwahrhaltens, Glaubens ┌usw.┐
zwei kontradiktorischen Urteilen ist eins wahr und eins falsch"┐
weg Sätze zu nennen pflegen. Also lautete der bessere Ausdruck: ┌"Von zwei kontradiktorischen Sätzen ist einer wahr und einer falsch"┐
darauf hinzublicken, um einzusehen, daß zum Umfang dieser logischen Gesetzlichkeit nur Urteile in einem idealen Sinne gehören — wonach "das" Urteil "2x2 = 5" Eines┐
oder vorgestellten Urteilsakte, die in unendlicher Mannigfaltigkeit jeder dieser idealen Einheiten entsprechen. Ähnliches wie vom Satze des Widerspruchs gilt für alle rein logischen Sätze, z.B. die syllogistischen.
Der Unterschied der psychologischen Betrachtungsweise, wel
che die Termini als Klassentermini für psychische Erlebnisse verwendet, von der objektiven oder idealen Betrachtungsweise, in welcher eben dieselben Termini ┌ideale┐
Reine Logik und Arithmetik, als Wissenschaften von den idealen Einzelheiten gewisser Gattungen (oder von dem, was a priori im idealen Wesen dieser Gattungen gründet), trennen sich von der Psychologie, als der Wissenschaft von den individuellen Einzelheiten gewisser empirischer Klassen.
Heben wir zum Schluß noch die entscheidenden Differenzen hervor, von deren Anerkennung bzw. Verkennung die ganze Stellung zur psychologistischen Argumentation abhängt, so sind
es folgende:
einsichtiger Gewißheit in echt generellen Begriffen gründen, so stellen diese die realgesetzlichen Allgemeinheiten, und zwar mit einsichtiger Wahrscheinlichkeit fest, welche sich auf eine Sphäre von Tatsachen beziehen. Der Umfang der Allgemeinbegriffe ist dort ein Umfang von niedersten spezifischen Differenzen, hier
ein Umfang von individuellen, zeitlich bestimmten Einzelheiten; die letzten Gegenstände also dort ideale Spezies, hier empirische Tatsachen. Offenbar vorausgesetzt sind hierbei die wesentlichen Unterschiede zwischen Naturgesetz und idealem Gesetz, zwischen universellen Sätzen über Tatsachen (die sich vielleicht als gene
relle Sätze verkleiden: alle Raben sind schwarz — der Rabe ist schwarz) und echt generellen Sätzen (wie es die allgemeinen Sätze der reinen Mathematik sind), zwischen empirischem Klassenbegriff und idealem Genusbegriff u. dgl. Die richtige Schätzung dieser Unterschiede ist durchaus abhängig von dem endgültigen Auf
geben der empiristischen Abstraktionstheorie, welche, gegenwärtig vorherrschend, das Verständnis alles Logischen verbaut; worüber wir später ausführlich sprechen werden. ┌(Vgl. II. Band, S. 106ff.)┐
2. Es ist in aller Erkenntnis und speziell in aller Wissenschaft
der fundamentale Unterschied zwischen dreierlei Zusammenhängen zu beachten:
Im Falle der Physik z.B. unterscheiden wir den Zusammenhang
der psychischen Erlebnisse des physikalisch Denkenden von der physischen Natur, die von ihm erkannt wird, und beide wieder von dem idealen Zusammenhang der Wahrheiten in der physikalischen Theorie, also in der Einheit der analytischen Mechanik, der theoretischen Optik u. dgl. Auch die Form der Wahrschein
lichkeitsbegründung, welche den Zusammenhang von Tatsachen und Hypothesen beherrscht, gehört in die Linie des Logischen. Der logische Zusammenhang ist die ideale Form, um derentwillen in specie von derselben Wahrheit, von demselben Schlusse und Beweise, von derselben Theorie und rationalen Disziplin die Rede
ist, von derselben und ┌einen┐
und gegenständlichen, sondern nach ihrem idealen Bedeutungsgehalt. Selbstverständlich sind die bestimmten Zusammenhänge von Begriffen, Sätzen, Wahrheiten, welche die ideale Einheit einer bestimmten Wissenschaft ausmachen, nur insofern logische zu nennen, als sie unter die Logik, in der Weise von Einzelfällen,
gehören; nicht aber gehören sie selbst zur Logik als Bestandstücke.
Die drei unterschiedenen Zusammenhänge betreffen Logik und
Eigentümlichkeit, daß die idealen Zusammenhänge, welche ihre theoretische Einheit ausmachen, als Spezialfälle unter die Gesetze gehören, die sie selbst aufstellt. Die logischen Gesetze sind zugleich Teile und Regeln dieser Zusammenhänge, sie gehören zum theoretischen Verband und doch gleichzeitig zum Gebiet
der logischen Wissenschaft.
Wir formulieren ein drittes Vorurteil
— so sagt man —┐
gischen Gesetze selbstverständlich Sätze der Psychologie. Es sind nämlich Sätze, die uns über die ┌psychologischen┐
von Urteilen, die dieses auszeichnenden Charakters teilhaftig sind, fördern sollen. Allenfalls mögen auch diese psychologisch fundierten Denkregeln gemeint sein, wo man von logischen Gesetzen oder Normen spricht.
An diese Auffaussung streift schon Mill, wenn er in der Absicht,
die Logik von der Psychologie abzugrenzen, lehrt: "The properties
oder "Philosophy of Evidence",
(im vorhergehenden Absatz "das innere Gefühl der Evidenz") eintritt, und dieselben auf ihren allgemeinen Ausdruck bringt".
tigkeit lassen ... aus den psychologischen die logischen Denkgesetze hervorgehen." Ihr "normativer Charakter ist lediglich darin begründet, daß gewisse unter den psychologischen Verbindungen des Denkens tatsächlich Evidenz und Allgemeingültigkeit besitzen. Denn nun wird es erst möglich, daß wir an das Denken überhaupt mit der For
derung herantreten, es solle den Bedingungen der Evidenz und Allgemeingültigkeit genügen". — "Jene Bedingungen selbst, denen genügt werden muß, um Evidenz und Allgemeingültigkeit herbeizuführen, bezeichnen wir als logische Denkgesetze...." Ausdrücklich wird noch betont: "Das psychologische Denken bleibt immer die umfassendere
Form."
In der logischen Literatur ┌gegen Ende des letzten Jahrhunderts┐
weil sie als der erste wirklich durchgeführte Versuch anzusehen ist, den Gesichtspunkt der Psychologie der Evidenz in der ganzen Logik mit möglichster Konsequenz zur Geltung zu bringen. Als die Haupt-auf|gabe der Logik be|zeichnet Höfler die Untersuchung der "(zunächst psychologischen) Gesetze, nach welchen das Zustandekommen
der Evidenz von bestimmten Eigenschaften unserer Vorstellungen
Bedingungen für das Zustandekommen von Evidenz sind".
schen Erscheinungen anwende; sie habe die Erscheinungen speziell des richtigen Denkens zu beschreiben und dann soweit als möglich auf einfache Gesetze zurückzuführen, d.h. die verwickelteren aus den einfachen zu erklären (a.a.O., S. 18). In weiterer Folge wird der logischen Lehre vom Schlusse die Aufgabe zugewiesen, "die
Gesetze aufzustellen ..., von welchen Merkmalen der Prämissen es abhängt ob ein bestimmtes Urteil aus ihnen mit Evidenz erschlossen werden kann". Usw.
Wenden wir uns nun zur Kritik. Wir sind zwar davon weit entfernt, die Unbedenklichkeit des gegenwärtig als Gemeinplatz umlaufenden┌, aber sehr klärungsbedürftigen┐
heit im Urteil liege; aber daran zweifeln wir natürlich nicht, daß Wahrheit erkennen und mit Rechtsanspruch behaupten, Wahrheit einsehen voraussetzt. Desgleichen auch nicht daran, daß die logische Kunstlehre nach den ┌psychologischen┐
leuchtet. Wir kommen der bestrittenen Auffassung sogar
Aber allerdings gilt uns diese Beziehung als eine rein ideale und indirekte. Wir leugnen es, daß die rein logischen Sätze selbst über
die Evidenz und ihre Bedingungen das Geringste aussagen. Wir glauben zeigen zu können, daß sie jene Beziehung zu Evidenzerlebnissen nur auf dem Wege der Anwendung resp. Umwendung erlangen können, nämlich auf gleiche Weise, wie jedes "rein in Begriffen gründende" Gesetz auf den allgemein vorge
stellten Bereich empirischer Einzelfälle jener Begriffe übertragen werden kann. Die so erwachsenden Evidenzsätze behalten aber nach wie vor ihren apriorischen Charakter, und die Evidenzbedingungen, die sie nun aussagen, sind nichts weniger als psychologische, also ┌reale┐
wandeln sich vielmehr, hier wie in jedem analogen Falle, in Aussagen über ideale Unverträglichkeiten bzw. Möglichkeiten um.
Eine einfache Überlegung wird Klarheit schaffen. Aus jedem rein logischen Gesetz kann man, durch a priori mögliche (evidente) Umformung gewisse Evidenzsätze, wenn man will, Evidenz
bedingungen ablesen. Das kombinierte Prinzip vom Widerspruch und ausgeschlossenen Dritten ist sicherlich äquivalent mit dem Satze: Evidenz kann bei einem, aber auch nur bei ┌einem┐
Akte, dessen Prämissen die Formen haben "alle A sind B" und "alle B sind C". Und so ähnlich bei jedem rein logischen Satze. Völlig begreiflich, da evidentermaßen die allgemeine Äquivalenz besteht zwischen den Sätzen "A ist wahr" und "es ist möglich, daß irgend jemand mit Evidenz urteilt, es sei A". Natürlich
werden also die Sätze, zu deren Sinn es gehört auszusagen, was gesetzlich im Begriffe der Wahrheit liegt, und daß das Wahrsein von Sätzen gewisser Satzformen dasjenige von Sätzen korrelater Satzformen bedingt, äquivalente Umformungen zulassen, in denen das mögliche Auftreten von Evidenz zu den Satzformen der Ur
teile in Beziehung gesetzt wird.
Aber die Einsicht in diesen Zusammenhang bietet uns zugleich die Handhabe zur Widerlegung des Versuches, reine Logik in Psychologie der Evidenz aufgehen zu lassen. An sich besagt doch der Satz "A ist wahr" nicht dasselbe wie sein Äquivalent "es ist
möglich, daß irgend jemand urteile, es sei A". Der erstere spricht nicht von Urteilen irgend jemandes, auch nicht irgend jemandes ganz im allgemeinen. Es verhält sich hier ganz so wie bei den rein mathematischen Sätzen. Die Aussage, daß a + b = b + a ist, besagt, daß der Zahlenwert der Summe zweier Zahlen von ihrer
Stellung in der Verknüpfung unabhängig ist, aber ┌sie sagt┐
Aber selbst wenn wir die originären Formen der rein logischen Sätze verlassen und sie in die äquivalent zugehörigen Evidenzsätze umwenden, so entsteht daraus nichts, was die Psychologie als ihr Eigentum in Anspruch nehmen könnte. Sie ist eine empirische Wissenschaft, die Wissenschaft von den psychischen Tat
sachen. Psychologische Möglichkeit ist also ein Fall von realer
liche Erkenntnisfähigkeit überschreiten. Aber das Problem hat eine Auflösung, und so ist eine darauf bezügliche Evidenz möglich. Es gibt dekadische Zahlen mit Trillionenstellen, und es gibt auf sie bezügliche Wahrheiten. Aber niemand kann solche Zahlen wirklich vorstellen und die auf sie bezüglichen Additionen, Multi
plikationen usw. wirklich ausführen. Die Evidenz ist hier psychologisch unmöglich, und doch ist sie, ideal zu reden, ganz gewiß ein mögliches psychisches Erlebnis.
Die Umwendung des Begriffs Wahrheit in den der Möglichkeit evidenten Urteilens hat ihr Analogon ┌in dem┐
griffe individuelles Sein und Wahmehmungsmöglichkeit. Die Äquivalenz dieser Begriffe ist, wofern nur unter Wahrnehmung die adäquate Wahrnehmung verstanden wird, unbestreitbar. Es ist danach eine Wahrnehmung möglich, welche in ┌einem┐
Natürlich ist diese ideale Möglichkeit keine reale, die für irgendein empirisches Subjekt angenommen werden könnte ┌ , zumal solches Schauen ein unendliches Kontinuum des Schauens wäre: einheitlich gedacht eine Kantsche Idee┐
Indem wir die Idealität der Möglichkeiten betonen, welche in
betreff der Urteilsevidenz aus den logischen Gesetzen ent
einer falsch ist, die Wahrheit ableiten, daß von einem Paar möglicher kontradiktorischer Urteile je eines, aber nur eines den Charakter der Evidenz haben kann — und diese Ableitung ist eine evident zu Recht bestehende, wenn wir Evidenz als das Erlebnis definieren, in dem irgendein Urteilender der Richtigkeit
mathematische Satz über mögliche ┌und┐
Gesetze psychologisch nutzbar zu machen. Wir können aus ihnen jederzeit apriorische Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ablesen, die sich auf gewisse Arten psychischer Akte, auf Akte der Zählung, der additiven, multiplikativen ... Verknüpfung usw. beziehen. Aber darum sind diese Gesetze noch nicht selbst psycho
logische Sätze. Sache der Psychologie, als Naturwissenschaft von den psychischen Erlebnissen, ist es, die Naturbedingtheit dieser Erlebnisse zu erforschen. In ihr Gebiet gehören also speziell die ┌empirisch-realen┐
bilden aber ein Reich für sich. Dieses konstituiert sich
Zahl Drei, die Wahrheit, die nach Pythagoras benannt ist, u. dgl., das sind, wie wir erörtert haben, nicht em
Und so ist denn in Ansehung der Evidenz die bloße Aufgabe der Psychologie, die natürlichen Bedingungen der unter diesem Titel befaßten Erlebnisse aufzusuchen, also die realen Zusammenhänge zu erforschen, in denen nach dem Zeugnis unserer Erfah
rung Evidenz erwächst und verschwindet. Solche natürlichen Bedingungen sind Konzentration des Interesses, eine gewisse geistige Frische, Übung u. dgl. Ihre Erforschung führt nicht auf Erkenntnisse von exaktem Inhalt, nicht auf einsichtige Allgemeinheiten von echtem Gesetzescharakter, sondern auf vage empiri
sche Allgemeinheiten. Aber die Urteilsevidenz steht nicht bloß unter solchen psychologischen Bedingungen, die wir auch als äußerliche und empirische bezeichnen können, sofern sie nicht rein in der spezifischen Form und Materie des Urteils, sondern in seinem empirischen Zusammenhang im Seelenleben gründen;
vielmehr steht sie auch unter idealen Bedingungen. Jede Wahrheit ┌ist┐
Form oder durch seine Materie, die idealen Bedingungen für die Möglichkeit seiner Evidenz. Die rein logischen Gesetze sind nun Wahrheiten, die rein im Begriff der Wahrheit und in den ihm wesentlich verwandten Begriffen gründen. In Anwendung auf mögliche Urteilsakte sprechen sie dann, auf Grund der bloßen
Urteilsform, ideale Bedingungen der Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Evidenz aus. Von diesen beiden Arten von Evidenzbedingungen haben die einen Beziehung zur besonderen Konstitution der Arten psychischer Wesen, welche in den Rahmen der jeweiligen Psychologie fallen; denn nur so weit wie die Erfahrung
reicht die psychologische Induktion; die anderen aber, als idealgesetzliche, gelten überhaupt für jedes mögliche Bewußtsein.
Endlich und schließlich hängt die letzte Klärung auch in diesem Streite zunächst von der richtigen Erkenntnis des fundamental
und idealen Wahrheiten, Gesetzen, Wissenschaften, zwischen realen und idealen (individuellen und spezifischen) Allgemeinheiten und ebenso Einzelheiten u. dgl. Freilich in gewisser Weise kennt jedermann diese Unterschiede, und selbst ein so weit ins Extreme gehender Empirist wie Hume vollzieht die fundamen
tale Sonderung der "relations of ideas" und "matters of fact", dieselbe, die unter den Titeln vérités de raison und vérités de fait schon vor ihm der große Idealist Leibniz gelehrt hatte. Aber eine erkenntnistheoretisch wichtige Sonderung vollziehen, heißt noch nicht ihr erkenntnistheoretisches Wesen richtig erfassen. Es muß
zu klarem Verständnis kommen, was denn das Ideale in sich und in seinem Verhältnis zum Realen ist, wie das Ideale auf Reales bezogen, wie es ihm einwohnen und so zur Erkenntnis kommen kann. Die Grundfrage ist, ob wirklich ideale Denkobjekte — um es modern auszudrücken — bloße Anzeigen sind für "denkökono
misch" verkürzte Redeweisen, die, auf ihren eigentlichen Gehalt reduziert, sich in lauter individuelle Einzelerlebnisse, in lauter Vorstellungen und Urteile über Einzeltatsachen auflösen; oder ob der Idealist Recht hat, wenn er sagt, daß sich jene empiristi-sche Lehre in nebelhafter Allgemeinheit zwar aussagen, aber nicht
ausdenken lasse; daß jede Aussage, z.B. auch jede zu dieser Lehre selbst gehörige, Sinn und Geltung beanspruche, und daß jeder Versuch, diese idealen Einheiten auf reale Einzelheiten zu reduzieren, in unabwendbare Absurditäten verwickle; daß die Zersplitterung des Begriffs in irgendeinen Umfang von Einzel
ohne irgendeinen Begriff, der diesem Umfang im Denken Einheit gäbe, undenkbar sei usw.
Andererseits setzt das Verständnis unserer Scheidung zwischen der realen und idealen "Theorie der Evidenz" richtige Begriffe von Evidenz und Wahrheit voraus. In der psychologistischen
Literatur ┌der letzten Jahrzehnte┐
gewisse Urteile geknüpft erscheint, an andere nicht. Jeder Normale fühlt unter gewissen normalen Umständen die Evidenz bei dem Satze 2 + 1 = 1 + 2, so wie er Schmerz fühlt, wenn er sich brennt. Freilich möchte man dann fragen, worauf sich die Autorität dieses besonderen Gefühls gründe, wie es das anstelle, Wahr
heit des Urteils zu verbürgen, ihm den "Stempel der Wahrheit aufzuprägen", seine Wahrheit "anzukündigen", oder wie immer die bildliche Rede lauten mag. Man möchte auch fragen, was denn die vage Rede von normaler Veranlagung und normalen Umständen exakt charakterisiere, und vor allem darauf hinweisen,
daß selbst der Rekurs auf das Normale den Umfang der evidenten Urteile mit dem der wahrheitsgemäßen nicht zur Deckung bringe. Niemand kann schließlich leugnen, daß auch für den normalen und unter normalen Umständen Urteilenden die ungeheure ┌Mehrheit┐
geln muß. Man wird doch den fraglichen Begriff der Normalität nicht so fassen wollen, daß kein wirklicher und in dieser endlichen Naturbedingtheit möglicher Mensch normal genannt werden könnte.
Wie der Empirismus überhaupt das Verhältnis zwischen Idea
lem und Realem im Denken verkennt, so auch das Verhältnis zwischen Wahrheit und Evidenz. Evidenz ist kein akzessorisches Gefühl, das sich zufällig oder naturgesetzlich an gewisse Urteile anschließt. Es ist überhaupt nicht ein psychischer
(sc. der sog. "wahren" Urteile) einfach anheften ließe; ┌so daß der phänomenologische┐
inhalte und der darauf bezogenen Gefühle zu denken pflegen:
Ideales im realen Akt ┌Erlebnis┐
Setzung eines Gegenstandes zu seiner adäquaten Wahrnehmung verhält. Das adäquat Wahrgenommene ist nicht bloß ein irgendwie Gemeintes, sondern, als was es gemeint ist, auch im Akte originär gegeben, d.i. als selbst gegenwärtig und restlos erfaßt┐
urteilender, aussagender, behauptender Weise gemeint), sondern im Urteilserlebnis ┌gegeben als┐
kann. ┌Die Analogie, die alle originär gebenden Erlebnisse verbindet, führt dann zu analogen Reden: man nennt die Evidenz ein Sehen, Einsehen, Erfassen des selbst gegebenen ("wahren") Sachverhalts bzw., in naheliegender Äquivokation, der Wahrheit. Und wie im Gebiet der Wahrnehmung das Nichtsehen sich keines
wegs deckt mit dem Nichtsein, so bedeutet auch Mangel der Evidenz nicht so viel wie Unwahrheit┐
tät aus. Es ist nicht eine zufällige Tatsache, daß ein Satzgedanke, hier und jetzt, zum ┌gegebenen┐
nicht der Aussage als diesem zeitlichen Erlebnis zu, sondern der Aussage in spezie, der (reinen und identischen) Aussage 2 X 2 ist 4 u. dgl.
Nur mit dieser Auffassung stimmt es, daß ein Urteil U (d.h. ein Urteil des Inhaltes, Bedeutungsgehaltes U) ┌in der Weise eines
einsichtigen vollziehen, und einsehen, daß die Wahrheit U besteht┐
auch┐
kann, und der offenbar dem vollen Skeptizismus gleichkommt: eben der Zweifel, ob denn nicht, wo wir die Einsicht haben, daß U sei, ein anderer die Einsicht haben könnte, daß ein mit U evident unverträgliches U' sei, ob nicht überhaupt Einsichten mit Einsichten unlöslich kollidieren könnten usw. Wieder ver
stehen wir so, warum das "Gefühl" der Evidenz keine andere
wahr Einsehen geben kann, m.a.W. keine Evidenz ┌(cf. Bd. II, 6. Unt., Kap. 5)┐.
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